Skandal-Fotograf Terry Richardson: Banale Banane im Slip (2024)

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Wer Terry Richardson sagt, meint Sex. Auf unzähligen Bildern blitzte er den Stellungskrieg der Geschlechter ab und spielte dabei mit der Idee von Voyeur und Teilnehmer: Oft steht der 38-Jährige gleichzeitig vor und hinter der Kamera. Richardson knipst, was ihm vor der Linse kopuliert - oder so tut. Aus der Ferne, von oben, von unten und bis ins anatomische Detail hinein. Skandale sind garantiert, große Werbe-Budgets auch. Richardson hat den Auslöser am Zentrum der Authentizität. Ein stetig wachsendes Publikum dankt es ihm.

In Berlin zeigt nun erstmalig eine Ausstellung auf deutschem Boden das Werk des Kaliforniers. Sehr sinnfällig geschieht das: Das zentrale Bild in der Galerie Kunstwerke schmücken ein halbnacktes weibliches Model und ein entblößter Richardson, die gut gelaunt über einen dekorativen Strand rennen. So anrührend ist die Szenerie, dass ein bestimmtes Körperteil des Fotografen steif in der Brise hängt. Hauptsache, die Sonnenbrille sitzt.

Die Karriere Richardsons begann in der Pubertät - mit der universalen Erkenntnis, wie man den lästigen Triebstau in glückselige Erfüllung umleitet. Im Hollywood der siebziger Jahre schien das kein Problem darzustellen. Der Sohn des Modefotografen Bob Richardson und der Designerin Annie Lomax entdeckte die Offenheit und Vielfältigkeit seiner Umgebung: "Als Teenager hatte ich alle denkbaren Varianten von Gruppensex. Es war völlig normal für uns in Hollywood, auf diese Art und Weise sexuelle Erfahrungen zu sammeln."

Später zog er nach New York, machte Musik in einer Punk-Band, fotografierte die aufkeimende Szene und avancierte zu einem gefragten Club-Fotografen. Von Zeit zu Zeit führte er Regie bei Videos für Primal Scream oder die Jon Spencer Blues Explosion. Die größte Aufmerksamkeit erzielte er jedoch mit Nackedei-Fotos am Rande der Legalität. "Das erste Mal machte ich Bilder von einem Pärchen, mit dem ich nach Hause ging", erinnert sich der Mann, dessen Markenzeichen eine getönte Brille und ein Trucker-Schnauzer sind. "Sie hatten Sex, ich fotografierte. Die Energie war unbeschreiblich. Das war vor zwölf Jahren."

Seitdem kämpft Richardson vor allem mit zwei Dingen: dem üblichen p*rno-Verdacht und großzügigen Werbe-Etats. Der nur mit zwei simplen Kameras hantierende Fotograf ergattert dank seines skandalumwitterten Images Aufträge für renommierte Zeitschriften und große Kampagnen. Rote Augen bei Blitzlicht-Schnappschüssen gelten als im Honorar inklusive und fördern den Wahrheits-Gehalt. Das ist nackter Realismus - eine Strömung der Fotografie, die in den Neunzigern ästhetische Norm wurde. Wolfgang Tilmanns erregte mit Bildern einer ungeschminkten Jugend weltweites Aufsehen, Jürgen Teller mit dem spröden Charme des Indie-Chic. Intimität war ihnen nicht heilig, die Intimsphäre hingegen schon.

Terry Richardson kennt keine Grenzen. Letzten Sommer nahm er eine Serie von Bildern auf, die ihn beim Sex zeigten, während sein Assistent ihn filmt. "Es putscht mich auf, Sex vor der Kamera zu haben", weiß er über das doppelt belichtete Leben zu berichten. Das ist nicht reflektierte Kunst, sondern spontanes Blödeln - ein Lausbuben-Ansatz, den er mit der von ihm verehrten MTV-Sendung "Jackass" teilt. Darin versuchen junge Männer an die Grenzen der geschmacklichen und psychischen Möglichkeiten zu gehen.

Terry Richardson lebt die infantilen Visionen Berufs-Jugendlicher auf eine zugegeben radikale, aber im Grunde harmlose Art aus. Moral-Apostel sehen in den enthemmten Testosteron-Träumen oft die Apokalypse der Kindererziehung heraufziehen - wie unlängst in der "Welt am Sonntag" geschehen. Für den Urheber solcher Eltern-Qual ist das ein großer Spaß: "Provozieren ist toll. Wenn die Menschen den Witz nicht verstehen, ist das nicht meine Schuld."

Die Pamphlete erfüllen nur einen Zweck: Sie stärken den Ruf des Künstlers. Nichts ist wertvoller als ein netter Skandal. Freudestrahlend legt eine Firma wie Sisley ihr Werbe-Budget in die Hände des zwischen Pennäler-Phantasien und Pop-p*rnografie changierenden Künstlers. Seit sechs Jahren trimmt er das Image des kreuzbraven Kleidungsherstellers auf frech, jung und sexy. Zum Dank sponsert die italienische Modemarke seine Berliner Ausstellung.

Die Bilderpracht offenbart nur ein Problem: Das Repertoire scheint ausgereizt, der Schockwert im Zeitalter der medialen Reizüberflutung überwunden. Wie banal ist doch eine Banane, die aus dem Slip herausragt? Wie unanständig wirkt ein Kuss zwischen drei Mündern? Das ist verrucht, insistiert Mailand. Die Bilder seien zu viel des Guten, zur Image-Reklame ungeeignet - zum Sich-Damit-Brüsten offensichtlich nicht. Der Titel der Ausstellung, "Too much", schreit in Hochglanz von Plakaten an Berliner Bushaltestellen. Welcher junge sexuell aufgeklärte Hauptstädter sich dadurch ernsthaft schockiert fühlt, lebt in der falschen Stadt. Kunst und Kommerz gehen hier schlichtweg eine merkwürdige Allianz zwischen Mäzentum und Kunst-Anspruch ein. Darüber hätte die "Welt am Sonntag" die Nase rümpfen dürfen.

Terry Richardson muss das nicht verstehen. Er findet das "cool", die Bilder, die Ausstellung, die Aufregung, einfach alles - obwohl er in einem fast abwesenden Moment gesteht, endlich mal Kinderporträts machen zu wollen. "Ihre Gesichter sind so unschuldig", sagt er. Aber davor liegen noch Verpflichtungen. Demnächst arbeitet er an einem Teenager-Film für Hollywood - eine Art "düsteren American Pie". Das Interesse an Sex wird ihn nicht verlassen. Terry Richardson lacht verschmitzt: "Es gibt doch jetzt Viagra."

Terry Richardson: "Too Much", bis zum 23. November 2003 in den Berliner Kunstwerken

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